Neue alte Grabsteine auf dem Friedhof in Weseritz

Viele deutsche Gräber sind nicht mehr übrig auf dem Friedhof in Weseritz (Bezdružice). Genau genommen sieben. Vermutlich waren die meisten vor mehreren Jahrzehnten einer „Liquidation“ zum Opfer gefallen. Allerdings: An drei Stellen am Rande des Friedhofs lagen noch einige Grabsteine wie auf einer Schutthalde. Ein würdiger Anblick war das nicht, eingesunken in die Erde, überwuchert von Unkraut und Büschen.

Als die Stadtverwaltung vor einigen Jahren eine Umfrage durchführte, um zu erkunden, welche der vielen erforderlichen Sanierungsarbeiten für den Friedhof priorisiert werden sollen, beteiligte ich mich daran. Meine Anregung, die abgelagerten Grabsteine zu bergen und an der Friedhofsmauer wieder aufzurichten, habe ich dem Bürgermeister vorgetragen. Einige Monate später veröffentlichte die Stadtverwaltung eine Machbarkeitsstudie für die Sanierung. Sie enthielt eine Karte, auf der die bisherigen Schutthalden markiert waren, sowie das Vorhaben, eine Fläche für ihre Aufstellung auszuweisen. Dann kam die Pandemie und andere Dinge wurden wichtiger.

Als ich im Frühjahr dieses Jahres auf den Friedhof kam, erschrak ich zuerst, als ich sah, dass die Halden abgeräumt waren. Es wird doch niemand die Grabsteine klammheimlich entsorgt haben? Nein, im Gegenteil – die Stadtverwaltung hat sie geborgen, gereinigt und im hinteren Teil des Friedhofs aufgestellt. Meine Freude war groß.

Lapidarium – die geborgenen, gereinigten und aufgestellten Grabsteine auf dem Friedhof in Weseritz im Mai 2024

Insgesamt handelt es sich um 19 Steine, drei davon sind bloße Sockel, zwei enthalten gar keine Inschriften mehr und in drei Fällen gelingt es mir nicht, sie auch nur annähernd zu entziffern. Auch Scherben einer Schwarzglasplatte sind dabei – hier fehlen aber noch die nötigen Puzzleteile.

Ganz leicht war das Entziffern der übrigen Inschriften nicht. Ich habe Wasser auf die Steine geschüttet, um die Konturen besser zu erkennen, sowie Transparentpapier über die Schrift gelegt und darauf mit einem Graphitstift die erhabenen Stellen schwarz eingefärbt. Viel hat das alles nicht genutzt. Hilfreich war hingegen die Verwendung von Alufolie, die mit einer weichen Bürste der Oberfläche der Grabsteine angepasst wird. Um von anderen Friedhofsbesuchern angesprochen zu werden, ist das übrigens eine ausgesprochen zielführende Methode. Zu Hause habe ich dann versucht, die Kontraste der Fotos in meinem Bildbearbeitungsprogramm zu erhöhen und die Inschriften mit den Eintragungen in den Sterbematrikeln abzugleichen.

Aluminiumfolie zur Sichtbarmachung von Grabinschriften

Die auf diese Weise noch mehr oder weniger lesbaren Inschriften erinnern an folgende Verstorbene (Sterbejahr in Klammern) hin: Marie Birk aus Neudorf (1934), Familie (Heinrich) Arlt, Amalie Plescher (1934), Theresia Winterstein (1930), Peter Schirsch (1902), Johann Liefler (1984) und Kordula Liefler (1903), Marie Wagner (1898), Josefa Schirsch (1896), Anna Meier (1912), Josef Muck (1915) und Anton Frank (1907).

Was ich gerne noch herausfinden würde: Wo sind die anderen Grabsteine gelandet? Das Gerücht, sie seien zur Uferbefestigung am Mühlbach in der Nähe des heutigen Freibades verwendet worden, konnte mir ein Goldschürfer, der den Bach gut kennt und den ich dort zufällig bei seiner Arbeit antraf, jedenfalls nicht bestätigen. Weiß jemand mehr? Über Hinweise freue ich mich.

Sankt-Anna-Fest 2024: Feuerrede

Ich solle doch einfach mal meine Sicht der Dinge ausbreiten, meinte Regine, als sie mich fragte, ob ich die Feuerrede halten würde. Darüber, was das Sankt-Anna-Fest, die Kontakte mit den Plan-Weseritzern und auch mit den Menschen in Tschechien für mich bedeuten. Was das Egerland für mich bedeutet. So sehr ich mich über die Einladung gefreut habe, so ratlos war ich. Die Fragen musste ich mir erst einmal selbst stellen. Meine Antworten fallen deshalb recht persönlich aus – es geht nicht anders.

Ein Jahr vor meinem Abitur, der kalte Krieg neigte sich gerade seinem Ende zu, unternahmen wir eine Klassenfahrt nach Prag. Wir fuhren mit dem Zug von Frankfurt am Main. Damals wusste ich nichts über meine Familiengeschichte – mit 18 Jahren hatte ich andere Dinge im Kopf. Von Weseritz, dem Geburtsort meiner Mutter, kannte ich nur den Namen. Wo er liegt, war mir unbekannt. Auf der ganzen Zugfahrt von Frankfurt über Eger bis Prag habe ich ein einziges Foto geschossen. Es zeigt ein unscheinbares Gebäude mit einer verwitterten Kirche dahinter. Ich habe das Bild ins Album geklebt, mehr ist damals nicht passiert.

Es gibt natürlich einen Ort, an dem ich aufgewachsen bin, andere Orte, an denen ich länger gelebt habe und einen Ort, an dem ich jetzt schon ziemlich lange lebe. Emotionen verbinde ich mit allen diesen Orten nicht. Vom Egerland war zu Hause nie die Rede. Meine Mutter war bei der Vertreibung vier Jahre alt; sie hat wohl früh in ihrem Leben entschieden, nicht in der Vergangenheit leben zu wollen. Zu Treffen wie diesem sind wir nie gefahren. Aufgewachsen bin ich in einem liebevollen Pragmatismus – es zählten das Hier und Jetzt. Für andere Dinge war auch gar keine Zeit. Daran war nichts verkehrt, aber Herkunft und Heimat waren eben kein Thema.

Höhenfeuer auf dem Sankt-Anna-Fest in Mähring 2024

Irgendwann stellte ich Fragen und begann mit der Familienforschung. Anders als die meisten hier musste ich mir meine Herkunft sozusagen selbst erarbeiten. So kam ich zum Heimatkreis Plan-Weseritz und auch zum Sankt-Anna-Fest. Damals haben mich Maria Mooshammer, Gretl Nedoma, der Abt Johannes Zeschick und andere Weseritzer großartig unterstützt. Ich war froh, Menschen zu treffen, die noch aus der alten Heimat berichten konnten. Die Geschichte des Sankt-Anna-Festes, die ich selbst nicht erlebt habe, hat mich sehr beeindruckt: der Aufbau einer Alternative zur Wallfahrtskirche in der alten Heimat, die unzähligen Teilnehmer in früheren Jahren, der Zusammenhalt mit Menschen, die doch eher zufällig aus denselben Orten stammten.

Das Sankt-Anna-Fest und vor allem der Heimatkreis als Verein blieben mir damals jedoch seltsam fremd. Intensiv habe ich aber zur gleichen Zeit begonnen, die Orte meiner Vorfahren aufzusuchen. Meine ersten Reisen ins Egerland begannen also mit der Vergangenheit meiner Familie, fanden aber in der tschechischen Gegenwart statt. Diese Kombination habe ich mir bewahrt. Das Weseritzer Ländchen besuche ich inzwischen regelmäßig; es ist mir ans Herz gewachsen. Als einmal wieder eine Reise bevorstand, fragte ein Kollege auf der Arbeit: „Fahren Sie also wieder in Ihre Seelenheimat?“ Wie auch immer das gemeint war – den Begriff habe ich mir zu eigen gemacht. Er beschreibt sehr genau, was ich empfinde.

In Prag reserviere ich meistens einen Mietwagen, um vor Ort mobil zu sein. Ich erinnere mich, dass der Angestellte des Autovermieters einmal mit Unverständnis reagierte, als ich sagte, wohin ich fahren möchte. Nach Sibirien? Was wollen Sie denn dort? Das ehemalige Sudetenland war den Tschechen wohl ziemlich suspekt. Ich persönlich hatte durchaus auch den Eindruck, dort herrschten Traurigkeit und Tristesse.

Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Je öfter ich ins Egerland reise, umso mehr Menschen lerne ich kennen. Mir begegnet dort längst eine positive Grundhaltung. Viele der heutigen Einwohner interessieren sich für die deutsche Vergangenheit ihrer Orte. Neugierde ist natürlich auch dabei – was wären Versöhnung und Verständigung ohne Neugierde? Ich will nur ein paar Beispiele für Initiativen nennen, die sich daraus entwickeln:

  • Das Anknüpfen der Städte und Gemeinden an ehemals deutsche Feste – das Florianifest in Weseritz, das Jakobifest in Bruck am Hammer oder die Wiederbelebung des Butterbrotfestes in Zahorsch. Die ehemaligen Einwohner und ihre Nachfahren sind dort immer herzlich willkommen.
  • Ein kleiner Weseritzer Verein, der ein altes Spritzenhaus in Harlosee zu einem Dorfmuseum umgebaut und nach dem deutschen Ortsnamen benannt hat.
  • Die Pflege von Friedhöfen – gerade erst hat die Stadt Weseritz Grabsteine aus einer Schutthalde geborgen und als Lapidarium aufgestellt.
  • Das jährliche Treffen im Pfarrgarten von Böhmisch-Domaschlag und die rührenden Bemühungen des dortigen Vereins, Pfarrhaus und Kirche zu renovieren.
  • Die Nacht der Kirchen, zu der in jedem Frühjahr die oft ungenutzten Gotteshäuser der Region zu neuem Leben erweckt werden.
  • Die Renovierung des Eckhauses der Familie Turba in Neumarkt unter der Regie eines sehr engagierten Bürgervereins.
  • Die vielen Initiativen zur Rettung kleiner Denkmäler, allen voran der Verein aus Waschagrün, der uns letztes Jahr im Festzelt die Wiedererrichtung von Feldkreuzen und einer verschwundenen Kapelle vorgestellt hat.
  • Die Literatur und Heimatliteratur, die in den letzten Jahren entstanden ist, sei es in Neumarkt, Girsch oder Plan.
  • Oder auch die Stolpersteine, die seit wenigen Jahren auf dem Planer Marktplatz zu sehen sind. Sie erinnern an die von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Planerinnen und Planer – auch ihre Muttersprache war deutsch.

Während die Vertriebenen in Deutschland ihre Geschichte in Heimatstuben, Museen und Archiven konservieren, gehen die meisten Tschechen an das Thema ganz anders heran. Sie stellen andere Fragen, nehmen eine andere Perspektive ein. Schließlich müssen sie sich diese Heimat, deren Vergangenheit sie kaum kennen, erst erarbeiten. Ihnen geht es eigentlich ähnlich wie mir. Vielleicht begeistert mich ihr Engagement auch deshalb so sehr. Aber wo sonst lässt sich Tradition besser leben und bewahren, als dort, wo sie entstanden ist? Dass sie sich auf diese Weise fortentwickelt und verändert, zeigt doch nur, dass sie lebt.

Auf dem Sudetendeutschen Tag hört man inzwischen viel Tschechisch. Hier an der Grenze gehören europäischer Austausch und die Begegnung zwischen Deutschen und Tschechen zum gelebten Alltag. Wer wüsste das besser als die Menschen in Mähring und Tirschenreuth? Auch für das Sankt-Anna-Fest würde ich mir mehr davon wünschen. Wie sonst soll es seine Bedeutung behalten und sich gleichzeitig neuen Generationen öffnen? Oder ist der Zug dafür etwa längst abgefahren?

Meine Distanz zum Sankt-Anna-Fest und zum Heimatkreis ist inzwischen geschwunden. Vieles hat sich geändert. Sie wissen, ich trage seit einigen Jahren die Prozessionsfahne vor dem Festgottesdienst. Dem Verein bin ich heuer nach langem Zögern endlich beigetreten. Ich tanze also auf zwei Hochzeiten, auf einer tschechischen und einer deutschen. Damit fühle ich mich ausgesprochen wohl. Beide Seiten gehören für mich dazu – zu meiner selbst geschaffenen Heimat.Viele Jahre nach unserer Klassenfahrt bin ich übrigens wieder auf die alte Aufnahme im Fotoalbum gestoßen und habe festgestellt: Die verwitterte Kirche, das war die Sankt-Anna-Kirche in Plan. Ausgerechnet!

Insgeheim hege ich die Hoffnung, einmal zu erleben, wovon beim Höhenfeuer jedes Jahr die Rede ist. Kein Sankt-Anna-Fest vergeht, ohne dass irgendjemand berichtet, wie das Mähringer Höhenfeuer früher einmal mit kleinen Feuern auf böhmischer Seite erwidert worden sei. Wer diese Feuer wohl entzündet haben mag? Das Ganze wird sich wahrscheinlich nicht wiederholen. Falls aber doch, bin ich sicher, dass die Flammen auf der böhmischen Seite zumindest nicht kleiner sein werden als hier in Mähring.

Gehalten am 28. Juli 2024 zum Höhenfeuer auf dem Sankt-Anna-Fest in Mähring. Der Redetext ist im Heimatbrief für die Bezirke Plan-Weseritz und Tepl-Petschau, September/Oktober 2024, erschienen.

Bistum Regensburg: „Mähring begeht Anna-Wallfahrt und Heimatfest der Vertriebenen – Die Fremde zur Heimat werden lassen“ (Ausführlicher Bericht von Peter Pirner mit vielen Bildern)

Zwangsarbeit in Weseritz

Auslöser für mein Interesse an der Zwangsarbeit in Weseritz während des Zweiten Weltkrieges waren spärliche Angaben über drei Arbeitskräfte, die auf dem Hof meiner Großeltern eingesetzt waren: zwei Polen und eine Ukrainerin. Gab es das auf anderen Höfen auch? Erste Recherchen im Archiv haben schnell ergeben, dass Zwangsarbeit in den Kriegsjahren sehr weit verbreitet war.

Wie viele Zwangsarbeiter waren es, woher kamen sie, welche Arbeiten haben sie verrichtet? Welches Verhältnis hatten sie zu den Landwirten und Unternehmern, bei denen sie Dienst taten? Was geschah mit ihnen unmittelbar nach Kriegsende? Stimmt es, dass Zwangsarbeiter dann kurzzeitig in den Baracken des Reichsarbeitsdienstes untergebracht wurden? Gibt es heute noch Kontakte der Nachfahren von Arbeitgebern und Zwangsarbeitern?

Landwirtschaftliches Lagerhaus in Weseritz, Aufnahme aus dem Jahr 2021

Ich bin in diesem Zusammenhang auf zwei Einrichtungen in Weseritz gestoßen, über die ich gerne mehr erfahren würde: Das Lagerhaus unten am Bahnhof (Nr. 189) und die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft, die den Meierhof oben hinter der Feuerwehr betrieben hat (Nr. 2). Außerdem interessieren mich persönliche Geschichten – gerne auch aus der Umgebung von Weseritz.

Meierhof in Weseritz, Aufnahme aus dem Jahr 2022

Ich freue mich über jeden Hinweis, jedes Foto, jede Erinnerung, die Sie bereit sind, mit mir zu teilen. Bitte melden Sie sich per E-Mail. Herzlichen Dank!

Der Beitrag ist im Heimatbrief für die Bezirke Plan-Weseritz und Tepl-Petschau, Juli/August 2024, erschienen.

Das Apfelfest auf dem Schwanberg

Schon viele Jahre nehme ich mir vor, das Apfelfest auf dem Schwanberg zu besuchen. Es findet stets am ersten Samstag im Oktober statt, heuer bereits zum 21. Mal. Organisiert wird das Fest von der Mikroregion Konstantinolažeňsko und dem MAS Česky Zapad mit Unterstützung der Pilsener Region. Inzwischen hat es sich zur größten Veranstaltung in der Gegend entwickelt. Zuletzt fand das Apfelfest auf dem Weseritzer Flugplatz statt, weil nur dort ausreichend Parkplätze für die vielen mit dem Auto anreisenden Besucher zur Verfügung standen. Überhaupt berichten die Organisatoren, das Fest sei immer beliebter geworden und habe in den letzten Jahren seinen ursprünglichen Charakter verloren. Zurück zu den Anfängen, hieß es, man plane für dieses Jahr in kleinerem Maßstab. Autos dürfen nicht mehr auf der Wiese unterhalb des Schwanbergs parken, sondern auf der etwas weiter entfernten Wiese hinter dem Fußballplatz in Kokaschitz. Die Zahl der Essensanbieter sowie der Tische und Bänke wurde reduziert. Die Gäste forderte man auf, stattdessen Picknickdecken mitzubringen.

Bahnhof in Pilsen, Lokalbahn über Neuhof nach Weseritz

Ein langes Wochenende in Prag nutze ich für einen Ausflug auf den Schwanberg. Am Samstag früh nehme ich den Regionalzug nach Pilsen und von dort weiter die Lokalbahn über Neuhof nach Weseritz. Verkehrstechnisch ist dieser Triebwagenzug eine Herausforderung: eine Stunde und 15 Minuten, 16 Haltestellen. Bahnliebhaber kommen aber eindeutig auf ihre Kosten. Unter den Fahrgästen des vollen Zuges bleibt die Stimmung gelöst, niemand mosert oder meckert. Was für ein Kontrast zu meinem Alltag im brandenburgischen und Berliner Nahverkehr. Die Ausblicke in die Landschaft sind traumhaft und die Überquerung der Mies auf der kürzlich renovierten Brücke ist ein Erlebnis. Für die Festbesucher besteht am Bahnhof in Weseritz ein Shuttle-Service, der Apfelexpress. Am Steuer des in die Jahre gekommenen Busses sitzt der Bürgermeister, jeder Fahrgast wird persönlich begrüßt.

Oben auf dem Schwanberg präsentieren Vereine und Initiativen ihre Arbeit, bieten Kaffee und Kuchen an, und natürlich gibt es Apfelmost und Apfelstrudel, aber auch mährischen Federweißen, slowakischen Räucherkäse, Bratwurst und Kuttenplaner Bier. Stände mit Handwerksprodukten, Spielgelegenheiten für Kinder, Staffeleien für angehende Hobbymaler, und ein Konzert des Jan Hrubý Trios in der Magdalenenkirche runden das Angebot ab. Ein Wettbewerb um das beste Apfelprodukt darf auf einem Apfelfest nicht fehlen. Mein persönliches Highlight ist aber der Stand mit „vietnamesischen Spezialitäten des singenden Kochs“. Dieser vietnamesische Koch begeistert die Zuhörer mit beliebten tschechischen Volksliedern. Das Durchschnittsalter der Festbesucher ist erstaunlich niedrig; regionale Produkte scheinen die Gäste aus der ganzen Gegend anzuziehen wie ein Magnet. Überfüllt ist der Schwanberg deswegen aber nicht. Atmosphäre statt Rummel.

Apfelfest 2023 auf dem Schwanberg

Gerne würde ich die Unterhaltungen mit Freunden, Bekannten und bislang Unbekannten, die mir auf dem Fest begegnen, noch ein wenig länger führen, aber die letzte Lokalbahn möchte ich dann doch nicht verpassen. Der Rückweg führt mich zu Fuß über Tschelief und Polschitz zum Bahnhof in Konstantinsbad. Knallrote Hagebutten leuchten am Wegesrand, die Obstbäume sind bereits herbstlich gefärbt und von verwilderten Birnbäumen fallen steinharte Früchte auf den Boden. Hinter mir liegt der Schwanberg, links der Schafberg und auf der rechten Seite der Radischer Berg. Auf Wiedersehen im Weseritzer Ländchen – nächstes Jahr.

Schwanberg mit Gut Schwanberg (Dvůr Krasíkov)

Der Beitrag ist im Heimatbrief für die Bezirke Plan-Weseritz und Tepl-Petschau, Jänner/Feber 2024, erschienen.

Jan Knap – ein Maler aus Plan

Als die Pandemie das kulturelle Leben lahmlegte, wichen viele Veranstaltungen auf den virtuellen Raum aus. So auch eine Schau mit Bildern des Malers Jan Knap. Später wurde sie dann doch noch im Museumsquartier gezeigt und konnte dort bis vor kurzem besucht werden: „Jan Knap – Jesus und die heilige Familie“. Auf der Facebook-Seite der Stadt Tirschenreuth sowie auf der Internetseite des Centrums Bavaria Bohemia ist ein Teil der Bilder weiterhin zu sehen. Knaps Werk offenbart eine frische und konzentrierte Vorstellung des Künstlers von Reinheit und Heiligkeit – die heilige Familie in unserem heutigen Alltag zwischen Idylle und Humor. Es zeigt die Gottesmutter beim Einräumen der Wäsche, Josef in der Werkstatt beim Holzhobeln, das Jesuskind in kurzen Hosen vor seiner Modelleisenbahn. Der Stil erinnert an Votivbilder, nur eben viel alltäglicher.

Plan im Juli 2021

Begleitend zur Ausstellung entstand eine Dokumentation, die das Westböhmische Museum in Pilsen (Plzeň) im vergangenen Jahr unter dem anmutigen Titel „Mein Bild ist wie das Streicheln einer armen Seele“ herausgegeben hat – ein Zitat des Künstlers, der in diesem Buch mit Texten von Jan Šícha porträtiert wird. Knap, der längst international bekannt ist, lebt seit fast zwanzig Jahren in Plan (Planá u Mariánských Lázní). Dort hat er ein gotisches Haus am Marktplatz direkt neben dem kommunalen Kino (Kinonekino) renoviert. Wie es dazu kam, schildert das Buch. Am stärksten ist die Dokumentation, wenn es um den bewegten Lebensweg des Künstlers geht: Deutschland, Brasilien, USA und Italien. Jan Knaps Blick auf das Erlebte und auf seine eigene Kunst ist wohltuend erfrischend.

Titelbild der Publikation
Titelbild der Publikation

Natürlich kommen auch Knaps Bilder in der Dokumentation nicht zu kurz. Das zweisprachige Buch (tschechisch/deutsch) strotzt nur so vor Farbe. Die Bilder wirken heiter und ruhig, fast meditativ. Aufmerksam wurde ich auf den Künstler übrigens durch Jan Šíchas „Gespräche in Plan und Tirschenreuth“ (siehe Heimatbrief vom Dezember 2019). Die aktuelle Dokumentation ist sozusagen eine Fortführung des im Jahre 2019 begonnenen Gesprächs mit Knap. Erhältlich ist sie beim Bücherhaus Rode in Tirschenreuth.

Der Beitrag ist im Heimatbrief für die Bezirke Plan-Weseritz und Tepl-Petschau, Mai/Juni 2023, erschienen.

Die lokale Aktionsgruppe Český Západ

Die lokale Aktionsgruppe Český Západ – wörtlich übersetzt: tschechischer Westen – ist seit vielen Jahren in der Region um Konstantinsbad (Konstantinovy Lázně ), Weseritz (Bezdružice), Tschernoschin (Černošín), Kladrau (Kladruby), Mies (Stříbro), Plan (Planá) und rund um die Talsperre Hracholusky tätig. Ihr Ziel ist es, die Lebensqualität in diesem ländlich geprägten Raum zu verbessern. Aber was ist eigentlich eine „lokale Aktionsgruppe“?

Das Konzept gibt es in der Europäischen Union inzwischen seit dreißig Jahren; Tschechien übernahm es mit dem Beitritt im Jahre 2004. Der Grundgedanke ist einfach: Problemlösungen sollen nicht einseitig von Regierungen vorgegeben, sondern auf lokaler Ebene aktiv entwickelt und anschließend umgesetzt werden. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft kooperieren zu diesem Zweck sektorübergreifend in lokalen Aktionsgruppen. Deren Mitglieder setzen sich aus Gemeinden sowie gemeinnützigen oder privaten Einrichtungen bzw. Unternehmen so zusammen, dass keine Interessengruppe die Entscheidungen dominieren kann. Die regionale Entwicklung wird also von jenen gefördert, die in der Region leben und mit den lokalen Verhältnissen vertraut sind.

In der lokalen Aktionsgruppe Český Západ engagieren sich zahlreiche Organisationen. Um Fördermittel aus den Fonds der Europäischen Union zu erhalten und ausreichen zu können, muss sie eine sogenannte Strategie erarbeiten und die Europäische Union davon überzeugen, dass sie die ihr anvertrauten Mittel innerhalb einer bestimmten Förderperiode effizient und sinnvoll einsetzen kann.

Was zunächst nach grauer Theorie aus einem politikwissenschaftlichen Proseminar klingt, funktioniert in der Praxis erstaunlich gut. Die Ergebnisse sind auch für Besucher der Region sichtbar. An dem Logo von Český Západ kommt man eigentlich nicht vorbei, man braucht bloß hinzuschauen.

Český Západ hat inzwischen mehrere hundert Projekte mit erheblichen Fördermitteln unterstützt, beispielsweise Agrarunternehmen, landwirtschaftliche Produkte, Kleinunternehmen und touristische Vorhaben. Auch soziale Dienste, Gemeindezentren, Kindergärten und Schulen profitieren davon. Die Aktionsgruppe stellt auch selbst zahlreiche Projekte auf die Beine. Dazu gehören zum Beispiel das jährliche Apfelfest auf dem Schwanberg (Krasíkov), das im letzten Jahr erstmals auf dem Flugplatz in Weseritz stattfand, das barocke Gartenfest auf dem Schloss in Schweißig (Svojšín) oder die Verkaufsgalerie „Švihákův pavilon“ in Konstantinsbad. Auch eine eigene Marke für regionale Produkte aus Westböhmen hat Český Západ entwickelt. Sehr beliebt sind die Ferienlager für Kinder, die jedes Jahr im Sommer stattfinden.

Die Weseritzer kennen die lokale Aktionsgruppe Český Západ aus dem vor einigen Jahren sehr gelungen renovierten Dům U Haranta – in der ehemaligen Zweigstelle der Planer Sparkasse hat sie ihren Sitz. Die dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vermögen auf der Klaviatur der europäischen Förderfonds gekonnt zu spielen.

Český Západ kümmert sich auch um das reiche kulturelle Erbe der Region. So trägt die lokale Aktionsgruppe beispielsweise zur Restaurierung ausgewählter Sakraldenkmäler bei, bietet nostalgische Fahrten mit der Dampflok auf der Weseritzer Lokalbahn an und hat eine Wanderausstellung über die inzwischen vollständig renovierte und wieder in Betrieb befindliche Eisenbahnbrücke über die Mies bei Neuhof (Pňovany) entwickelt.

Ein schönes Beispiel für Förderung des vorhandenen Potenzials ist die Entwicklung der Umgebung des Alten Bades in Konstantinsbad zu einem Sport-und Freizeitgebiet. Vor einiger Zeit ist dort ein Waldpark entstanden, der die doch etwas im Schatten ihrer großen Schwestern stehende Kurstadt erheblich aufwertet. Wer will, kann den Barfußweg ausprobieren oder interaktive Musikelemente erklingen lassen.

Trotz der massiven Einschränkungen, die mit den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus einhergehen, engagiert sich Český Západ auch in der aktuellen Förderperiode dafür, dass die zur Verfügung stehenden europäischen Gelder von den westböhmischen Unternehmen und Einrichtungen auch wirklich abgerufen werden können. Bleibt zu hoffen, dass die bisherigen Erfolge alle Widrigkeiten der Pandemie überdauern.

Der Beitrag ist im Heimatbrief für die Bezirke Plan-Weseritz und Tepl-Petschau, März 2022, erschienen

Zweisprachige Dokumentation historischer Friedhöfe im Egerland erschienen

Vor vielen Jahren habe ich damit begonnen, die Geschichte meiner Familie mütterlicherseits – der Holdschicks aus Weseritz – zu erkunden. Neben Archiven und Verwaltungen besuchte ich auch Friedhöfe in der Umgebung. Die Atmosphäre auf einigen von ihnen nahm mich schnell gefangen. Teilweise waren die historischen Grabsteine zwar vollständig abgeräumt, zerstört oder umgesetzt worden, manche Friedhöfe hatten die Wirren der Nachkriegszeit aber weitgehend unberührt überstanden. Während die Bevölkerung in den Städten und Dörfern des Egerlandes fast vollständig ausgetauscht wurde, blieben die Verstorbenen nach 1946 einfach auf diesen Friedhöfen wohnen. Für die neuen Egerländer waren sie Fremde, ihre Gräber gerieten weitgehend in Vergessenheit. Baumwurzeln, Büsche und Efeu haben ihnen oft massiv zugesetzt. Noch stehen aber zahlreiche Grabsteine – eine wertvolle historische Erinnerung. Sie sind ein Spiegel ihrer Zeit, aber auch des Umgangs mit der gemeinsamen Vergangenheit nach dem Zweiten Weltkrieg, während des Kommunismus und nach der Samtrevolution. Wäre es nicht ein Verlust, wenn sie allmählich und unbemerkt einfach verschwänden?

Deckblatt des Buchtitels "Historische Friedhöfe in Weseritz, Plan und Umgebung"
Deckblatt des Buchtitels „Historische Friedhöfe in Weseritz, Plan und Umgebung“

Das Grabstein-Projekt des Vereins für Computergenealogie bezweckt die fotografische Dokumentation der Grabsteine und deren Erfassung in einer Datenbank. Dies dient genealogischen Zwecken, aber auch dem Andenken an die Verstorbenen und – aus kulturhistorischer Sicht – der Dokumentation historischer Denkmale. Mit dem Projekt wird ein wichtiger Teil der Kultur für die nachfolgenden Generationen konserviert. Beim Stöbern in dieser Datenbank fand ich bereits zahlreiche Eintragungen aus der Tschechischen Republik und nahm mir vor, sie um die Friedhöfe aus den Regionen Weseritz und Plan zu ergänzen.

Ausgestattet mit meiner Kamera, einer Gartenschere, einer Wurzelbürste, einer Wasserflasche und einem Putztuch besuchte ich zwischen 2018 und 2020 insgesamt 43 Friedhöfe in Westböhmen. Die Arbeit ähnelte insbesondere im Sommer einem Aufenthalt im Dschungelcamp: Stechmücken, Kreuzspinnen, Bremsen, hüfthohe Brennnesseln und Kletten. Entstanden sind 5.400 Fotografien von schätzungsweise knapp halb so vielen Grabsteinen in ganz unterschiedlichen Erhaltungszuständen.

Die aufbereitete Darstellung des Vereins für Computergenealogie (grabsteine.genealogy.net) kombiniert die Fotoaufnahmen der einzelnen Grabsteine mit den Namen der Verstorbenen und ermöglicht eine gezielte Recherche. In voller Bildauflösung und ergänzt um eine Namensliste der Verstorbenen sowie um eine Übersicht der historischen Einpfarrungen sind die Bilder auch auf meiner Website (sven-mueller.info) zu finden.

Mit dieser Broschüre möchte ich einige Eindrücke von meinen Besuchen auf den historischen Friedhöfen im Egerland vermitteln. Ich würde mich freuen, wenn die Bilder dazu beitragen, genauer auf die Friedhöfe rund um Weseritz und Plan zu schauen und sie als Orte der Erinnerung zu bewahren. Auch ist es mir ein Anliegen, zu zeigen, dass sich bereits viele Initiativen für ihren Erhalt einsetzen, die fortzuführen aller Mühen wert sind.

Weiter zur Dokumentation „Historische Friedhöfe in Weseritz, Plan und Umgebung“.

Weiter zu den Fotografien der Friedhöfe.

Herr, Du hast mich gerufen, ich komme.

Im Februar 2019 habe ich an dieser Stelle über die Gräber unserer Vorfahren im Internet berichtet. Das Vorhaben, die Grabsteine weiterer Friedhöfe in der weiteren Umgebung von Weseritz (Bezdružice) zu fotografieren, konnte ich im zurückliegenden Sommer fortführen – in Mariafels (Slavice), Plan (Planá), Punnau (Boněnov), Schippin (Šipin), Schweißing (Svojšín), Tschernoschin (Černošín), Eisenhüttel (Záchlumí), Leskau (Lestkov), Obergosolup (Horní Kozolupy), Scheibenradisch (Okrouhlé Hradište) und Kurschin (Kořen). Meine Blicke und Gedanken blieben dort oft an verblassten oder überwachsenen Inschriften hängen. Auf den Friedhöfen in Schippin und Schweißing boten diese ein besonders vielfältiges Bild. Einige Eindrücke möchte ich hier gerne teilen.

Vater und Mutter zu ehren ist auf den Friedhöfen nicht das vierte, sondern das erste Gebot, so auch im Falle dieses Unbekannten in Schippin:

Was unser Vater uns gewesen,
Das sagt nicht dieser Leichenstein,
Doch Mit- und Nachwelt sollen lesen,
Das wir auf ewig Dank ihm weih’n.

Während Väter in der Regel solch weltlichen Dank ernten, werden Müttern schon mal höhere Weihen zuteil – auch dies ein namenloses Schippiner Grab:

Mutter in des Himmels Höhen,
Schau segnend auf uns herab,
Wo Gatte und Dein Kind hier stehen,
Trauernd hier an Deinem Grab.

Der in Schweißing bestatteten Franziska König aus Praschka (Pražka) gönnen die Kinder immerhin ganz uneigennützige, jenseitige Freuden, nachdem sie 64jährig aus dem Leben geschieden war:

Gute Mutter, nun erlöst von Leiden,
Decket Dich der Friedhofshügel zu,
Dein Geist genießet Himmelsfreuden,
Ohne End in jener ew’gen Ruh!

Grabstein auf dem Friedhof in Schippin 2019

Über Tote soll man nichts Schlechtes sagen – diese Benimmregel haben sich die Angehörigen von von Engelbert Schuster, einem im 45. Lebensjahre verstorbenen Heger aus Pokeslav (Pakoslav), zu Herzen genommen, nachdem sie ihn im Jahre 1927 in Schippin bestatten mussten:

Als Gatte, als Vater, als Freund,
Ruht hier, von vielen beweint,
Ein Mann der Tugend stets übte,
Und Treue und Redlichkeit liebte.

Das Grab der im 29. Lebensjahre verstorbenen Kathi Hammerl aus Pittlau (Pytlov) befindet sich auf dem Schweißinger Friedhof:

Ein kurzer Traum nur war Dein Leben.
Doch wird uns nie Dein Bild entschweben.
Du warst gebrochen ehe wir’s gedacht.
Wie eine zarte Knospe über Nacht.

Als tragisch haben Eltern schon immer den Tod von Kindern empfunden, wenngleich er früher sicher häufiger vorkam als heute. Der kleine Hans Götz aus Schweißig starb 1922 im Alter von einem halben Jahr:

Dem Englein rein und zart
Ward Erdenleid erspart.

So mancher Reim wie jener auf dem Grabstein des im Jahre 1931 in Schippin beerdigten, zweijährigen Willibald Anton Rosner aus Müllowa (Mydlovary) erscheint heute ein wenig gewöhnungsbedürftig:

Dem Vater und des Mutter mein,
War ich ein liebes Söhnchen.
Gott aber, dem ich lieber war,
Nahm mich auf zur Engelschar.

Kommt der Tod nicht immer zu zeitig? So empfanden das wohl auch die Angehörigen der Theresia Kohut aus Gesürzen (Jiřské). Sie starb im Jahre 1942 mit fast 70 Jahren und fand in Schweißing ihre letzte Ruhe:

Früh bleicht der Tod die Wangen,
An denen unser Herz gehangen,
Der Herr ist nun Dein treuer Hort,
Sein Segen blüht dir fort und fort,
In seines Reiches Herrlichkeit,
Bringt Freuden und die ew’ge Zeit.

Auf dem Grabstein von Andreas und Marie Zimmer aus Praschka, gestorben in den Jahren 1909 und 1916, hat sich der Patriotismus des Ersten Weltkriegs bereits in die Wortwahl eingeschlichen:

Ins Vaterland,
In jene besseren Höhen,
Führt uns der Tod,
Bis wir uns wiedersehen.

Vermutlich dem Sohn der Verstorbenen – Infanterist Karl Zimmer, gestorben 21jährig im Jahre 1917 in Pilsen (Plzeň) – ist eine Gedenkplatte gewidmet, die an den Grabstein der Zimmers angelehnt ist. Aus dem himmlischen Vaterland der Eltern wurde hier schnell eines, das ganz von dieser Welt war:

Ein Krieger aus bedrückter, böser Zeit,
Dem Kaiser treu, dem Vaterland ergeben,
Mit Eifer dem Beruf geweiht,

Hat vollbracht ein edles Menschenleben.

Die meisten Eltern konnten ihren Söhnen, die im Ersten Weltkrieg nachgerade verheizt worden waren, nur einen Gedenkstein widmeten, weil deren sterblichen Überreste nie überführt wurden. So ruht wohl auch der 31jährige Vater Andreas Sturm aus Losau (Lažany) in fremder, russischer Erde. Er wurde bereits im ersten Kriegsjahr vermisst:

Sein Leben stand in Gottes Hand,
Denn er starb für’s Vaterland.

Grabstein auf dem Friedhof in Schweißing 2019

Buchstaben gab es nicht umsonst. Im Falle des Franz Glosauer aus einer Schweißiger Müllersfamilie lässt die Sparsamkeit der Angehörigen ihre Nachwelt rätseln:

absol. Gimniasiast der nach 6 jäh. sieb Gefangsch.
sanft im Herrn am 25.8.1924 im 30. Lebensj. entschlafen ist – R.I.P.

Der Obergefreite Anton Denglmann aus Lohm starb 1942 im dreißigsten Lebensjahr im Lazarett in Marienbad (Mariánské Lázně), bestattet ist er auf dem Friedhof in Schweißing:

Teilnehmer an den Feldzügen Luxemburg, Belgien, Frankreich, am Balkan und Russland, eine heimtückische Krankheit, die er sich im Osten zuzog, raffte ihn dahin. Meine Hoffnung sank ins Soldatengrab, in uns lebt er weiter. Die Heimaterde sei Dir leicht!

Wenige Jahre später sollten Flüchtlinge und Vertriebene in der späteren Bundesrepublik mit ganz ähnlichen Worten bestattet werden: Die fremde Erde sei Dir leicht!

Eindeutig religiöse Bezüge fand ich ziemlich selten. Mich hat das überrascht, steht der katholische Glaube in den Erzählungen über Kultur und Tradition der alten Heimat doch oft im Mittelpunkt.

Ihr rufen unsere Tränen,
Den Abschiedsgruß zur Gruft,
Erfüllt wird unser Sehnen,
Dann, wenn auch Gott uns ruft.

Gerufen wurde in diesem Fall die 74jährige Theresia Heieis aus Müllowa, gestorben am 24. August 1923, bestattet auf dem Friedhof in Schippin.

Ganz fromm verschied Marie Prockl aus Müllowa (1936 – 1917). Das meinten jedenfalls ihre Angehörigen, die ihr auf dem Schippiner Friedhof folgenden Nachruf widmeten:

Selig alle die dem Herrn entschliefen.
Selig Mutter, selig bist auch Du.
Engel brachten Dir den Kranz und riefen.
Und Du gingst zu Deines Gottes Ruh.

Religiöse Utopien werden nur ausnahmsweise beworben, so zum Beispiel von den Angehörigen des Wenzel Hampl aus Kschellowitz (Křelovice), gestorben im Mai 1922 als 25jähriger, bestattet in Schippin:

Mag das Grab mich immer decken,
Er, mein Jesus, wird mich wecken,
wenn der große Tag erscheinet,
Der sein Volk vor ihm vereinet.

Von einer Auferstehung ist kaum die Rede. Die meisten Gräber hat der Gekreuzigte fest im Blick. Manchmal klingt der Blick ins Jenseits aber auch recht erfrischend – wie im Falle des Hans Rupp, der seit dem Jahre 1954 auf dem Schweißinger Friedhof begraben liegt:

Aus fernen Himmelshöhn
Winkt ein frohes Wiedersehn.

Mitunter gerät die Trauer ein wenig anklagend, vielleicht auch trotzig, wie in diesem namenlosen Fall:

Dein treues Herz hört auf zu schlagen,
Weilt in einem höheren Licht,
Du hörest nicht der Kinder Klagen,
Siehst Deiner Lieben Tränen nicht.

Manche Hinterbliebene legten den Toten ihre Worte in den Mund, sodass der Eindruck entsteht, diese würden den Besucher aus ihren Gräbern heraus unmittelbar ansprechen. Barbara Mattis aus Pokeslav, die im Jahre 1917 im Alter von 63 Jahren verstarb, fordert auf diese Weise:

Tretet her zu meinem Grabe,
Störet mich nicht in meiner Ruh,
Denkt was ich gelitten habe,
Gönnt mir jetzt die süße Ruh.

Erstaunlich fand ich, dass manche Inschriften sich um die Verstorbenen überhaupt nicht kümmern, sondern ganz allgemein an die Friedhofsbesucher appellieren. So ließen die Hinterbliebenen von Johann und Anna Karnoll aus Kschellowitz, gestorben 1937 und 1926 auf dem Friedhof in Schippin, wissen:

Auch uns schlägt einst die Stunde,
Wo matt das Auge bricht,
Wenn Gottes Hand uns winket,
Dann steigen wir zum Licht.

Aber auch schlichte Abschiedsworte wie jene für Wenzl und Anna Schmitzer aus Gesürzen, die in den Jahren 1936 und 1924 in Schweißing beigesetzt wurden, verfehlen ihre Wirkung nicht:

Euch der Friede.
Uns der Schmerz.

Kurz und bündig verabschiedete sich Wilhelm Günzel, Militär- und Distriktsarzt, gestorben 78jährig im Feber 1917, auf dem Schweißinger Friedhof:

Herr, Du hast mich gerufen, ich komme.

Der Beitrag ist im Heimatbrief für die Bezirke Plan-Weseritz und Tepl-Petschau, Mai/Juni 2020 (Teil 1) und Juli 2020 (Teil 2), erschienen

Das Pfarrhaus in Böhmisch-Domaschlag

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Eines kann man den Pfarrern in Böhmisch-Domaschlag/Domaslav nicht vorwerfen, nämlich dass sie Duckmäuser gewesen wären. Bereits im 15. Jahrhundert verlor Pfarrer Marschik seine Stelle, weil er die Glaubenslehre des Theologen, Predigers und Reformators Jan Hus verbreitete. Nach der deutschen Annexion im vergangenen Jahrhundert hielt Pfarrer Womes die Kinder an, auf christliche Weise zu grüßen, anstatt den Hitler-Gruß zu zeigen. Er hielt sich nicht an ein daraufhin erlassenes Verbot, Religion zu unterrichten, und wandte sich in seinen Predigten gegen die schlechte Behandlung der Tschechen durch das Regime. Im Sommer 1940 wurde er denunziert, von der Gestapo verhaftet und im darauffolgenden Frühjahr nach Dachau deportiert. Nach der Vertreibung, im Jahr 1947, kam der engagierte Pfarrer Hradecký nach Böhmisch-Domaschlag – er gründete ein beliebtes Amateurtheater und begeisterte die neuen Bewohner mit Fußball. Als Gegner des kommunistischen Regimes musst er jedoch bereits 1952 die Gemeinde verlassen. Seinen unmittelbaren Nachfolger nannte man den „Mechanikpfarrer“ wegen seiner Vorliebe für Motorräder. In den sechziger Jahren schließlich kam Pfarrer Španihel in das lange verwaiste Pfarrhaus. Man hatte ihn aus denselben Gründen nach Böhmisch-Domaschlag verbannt, wie man Hradecký zuvor von dort weggeschickt hatte – wegen kritischer Äußerungen über das Regime.

Sankt-Jakobs-Kirche in Böhmisch Domaschlag 2018

Später, in den achtziger Jahren, betreute Pfarrer Chroust die Gemeinde und entwickelte das Pfarrhaus zu einem Treffpunkt für junge Menschen. Er galt – gemessen an der damaligen Zeit – als ziemlich alternativ und war schon deshalb unbequem, weil er junge, oft unangepasste Leute begeistern und zusammenbringen konnte. Das hatte zwar auch ihm die Versetzung nach Böhmisch-Domaschlag eingebracht, aber die jungen Menschen aus den größeren Städten folgten Chroust trotzdem. Sie kehrten immer wieder zurück, auch als der Pfarrer schon nicht mehr in dem Ort tätig war. An die Gemeinschaft, die daraus entstand, knüpfte – ausgehend von einer Idee des Bistums – der Verein Cantate an. Er sollte für leerstehende Gebäude in der Region eine sinnvolle Nutzung finden. Cantate richtete das Pfarrhaus als Veranstaltungs- und Erholungsort für Kinder und Jugendliche, hauptsächlich aus Pilsen/Plzeň, neu aus. Die Gäste entwickelten gleichzeitig ein wachsendes Interesse an der Gegend und ihrer vielfältigen Geschichte.

Cantates Aufgaben in Böhmisch-Domaschlag führte schließlich der Verein o. s. Domaslav fort, der sich im Jahr 1998 gründete. Die Mitglieder kümmern sich bis heute um die Jakobus-Kirche und das Pfarrhaus und organisieren eine Reihe von Kulturveranstaltungen. So finden regelmäßig Literaturtage sowie Aktionen von Landschaftskünstlern statt. Viele waren schon als Kinder regelmäßig in diesem Ort, zum Beispiel im Rahmen von Freizeitaktivitäten oder Ferienlagern. Seit Jahren bemüht sich der Verein um Fördermittel für die Renovierungsarbeiten. Im Jahr 2006 sprang zunächst der von der Bürgermeisterin aus Wolfersdorf/Olbramov, Válová, gegründete Verein Pomozme si sami (Helfen wir uns selbst) ein, später kamen Fördermittel auch vom tschechischen Kulturministerium – allerdings so wenig, dass immer nur ein kleiner Teil des völlig desolaten Dachs repariert werden konnte. So geht das heute noch, an einer Stelle wird repariert, an einer anderen nagt weiter der Zahn der Zeit. Doch die Fortschritte – zum Beispiel das schmucke, rote Dach des Kirchturms – sind nicht zu übersehen. Selbstzweck ist die Renovierung der Kirche nicht, vielmehr geht es dem Verein auch darum, die Versöhnung zwischen den Böhmen deutscher und tschechischer Zunge voranzubringen.

Zunächst mussten die Mitglieder des Vereins den Schlüssel zum Pfarrhaus, in dem schon lange kein Pfarrer mehr wohnt, noch in der Diözesanverwaltung ausleihen. Inzwischen gehört es dem Verein. Der Pilsener Bischof Radkovský hatte sich für den Übergang des Eigentums eingesetzt, bevor er im Jahre 2016 emeritierte. Auf den Verein kam damit eine große Verantwortung zu. Das Pfarrhaus wird schließlich weiterhin von Pfadfindern und Schulkindern für Freizeiten genutzt. Hier können die Kleinen malen und töpfern und es darf auch einmal etwas danebengehen – es ist eben kein feines Hotel. Ganz nebenbei setzen sich die Kinder auch mit der Region und ihrer Geschichte auseinander. Es mag merkwürdig klingen, aber alleine schon der Besuch der alten Kirche ist für sie zumeist etwas Unbekanntes und Abenteuerliches. Das Gebäude kann man für Gruppen übrigens auch mieten.

Altarraum der Sankt-Jakobs-Kirche in Böhmisch Domaschlag 2018

Im Sommer wird das Pfarrhaus während der Wochenenden oft von bis zu zwanzig Vereinsmitgliedern belebt. Anfangs kamen sie vom Bahnhof in Kokaschitz/Kokašice noch zu Fuß hier herauf, mittlerweile mit Fahrzeugen direkt aus Pilsen. Viele haben inzwischen Familien gegründet und bringen – neben Werkzeugen und anderen Utensilien für die Arbeiten am Pfarrhaus und in der Kirche – auch ihre Kinder mit. So kommt auch außerhalb der Freizeiten wieder Leben in den kleinen Ort, in dem heute nicht einmal ein Zehntel der Einwohnerzahl vor der Vertreibung erreicht wird. Auch wenn es wenige sind, musste sich das Verhältnis zu den Pilsener Neuankömmlingen erst einmal einspielen. Gefallen hat es hier auch jungen tschechischen Musikern aus der Umgebung (Lidová muzika z Chrástu – Volksmusik aus Chrast), die in der Landschaft um Böhmisch-Domaschlag, die sie immer wieder besuchen, einen kleinen, aber flotten Musikfilm gedreht haben.

Innenansicht aus der Sankt-Jakobs-Kirche in Böhmisch Domaschlag 2018
Lidová muzika z Chrástu – Volksmusik aus Chrast

Der Kontakt der ehemaligen deutschen Bewohnern nach Böhmisch-Domaschlag war nie wirklich abgerissen. Einzelne Verbindungen bestanden auch während des Kommunismus, wenngleich natürlich nicht so offen wie heute. Im Jahr 2007 fand das erste „Treffen/Setkání“ statt – eine Zusammenkunft des Vereins mit ehemaligen und heutigen Domaschlagern. Zwei Jahre später setzten sich Jugendliche aus dem Grenzgebiet zwei Wochen lang mit Gegenwart und Geschichte des Ortes und der Region auseinander. Zu dem Projekt, das in Kooperation mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V. durchgeführt wurde, gehörten neben umfangreichen Instandhaltungsarbeiten auch eine Reihe von Gesprächen der jungen Menschen mit den ehemaligen und heutigen Bewohnern sowie eine Ausstellung. Die aufschlussreichen und ansprechend illustrierten Interviews sind in dem Bändchen „Jako doma – wie zu Hause“ nachzulesen, das im Internetangebot des Vereins (http://www.domaslav.cz) veröffentlicht ist.

Das Pfarrhaus in Böhmisch Domaschlag 2018

Das „Treffen/Setkání“ findet weiterhin jeden Sommer statt – stets an einem Sonnabend um den Festtag des Gemeindepatrons Jakobus. Die Zahl der ehemaligen deutschen Bewohner, die daran teilnehmen, wird immer geringer, dafür toben die Kinder der Vereinsmitglieder durch den großzügigen Garten des Pfarrhauses. Der freundliche und zugewandte Pfarrer Šašek aus Plan/Planá zelebriert die zweisprachige Heilige Messe zur Eröffnung des Treffens. Wäre Gottes Bodenpersonal überall so aufgestellt, so bemerkte eine Teilnehmerin beim letzten Mal, würden der katholischen Kirche auch weniger Gläubige weglaufen. Böhmisch-Domaschlag zieht offenbar engagierte Menschen geradezu an, seien es Pfarrer, Jugendliche, Einwohner oder Besucher. Das alte Pfarrhaus jedenfalls liegt mitten im Zentrum dieses Magnetfeldes.

Der Beitrag ist im Heimatbrief für die Bezirke Plan-Weseritz und Tepl-Petschau, Feber 2020, erschienen

Grenznah – Gespräche in Plan und Tirschenreuth

Der Titel der Dokumentation „Grenznah – Gespräche in Plan und Tirschenreuth“ ist Programm. Ihr Autor, Jan Šícha, verliert den heimlichen Protagonisten seines Buches nie aus dem Blick – die Grenze und wie sie den Alltag in der Oberpfalz und im Egerland beeinflusste. Er hat Zeitzeugen gefunden, die Auskunft geben können über Jahrzehnte ihres Lebens in Plan und Tirschenreuth, also beiderseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs. Die Gespräche entstanden im Rahmen des Projekts zur Gründung eines Museums sowie von Kultur- und Freizeiträumen im ehemaligen Münzhaus der Familie Schlick in Plan. Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds ermöglichte ihre Dokumentation in deutscher und tschechischer Sprache. Für Zeitzeugeninterviews lesen sich die Texte ungewohnt flüssig und zeigen, wie erfolgreich Šícha seine Gesprächspartner nicht nur mit kenntnisreich vorbereiteten, sondern auch sehr einfühlsamen Fragen zum Erzählen brachte.

Als Erste kommt Markéta Novotná zu Wort, die als Archivarin einen besonderen Blick auf die Geschichte der Grenzregion hat. Weseritzer kennen sie als Autorin der Dokumentation zum 550. Jahrestag der Stadterhebung und der beiden Bände mit historischen Ansichtskarten. Im Gespräch mit Šícha wird deutlich, wie wichtig Novotná die Aufgabe ist, der Gegend ihre Erinnerungen zurückzugeben. Josef Staněk, der als Lehrer aus dem Schulbetrieb entlassen wurde, weil er den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im August 1968 kritisiert hatte, schildert sehr anschaulich, dass der Prager Frühling und die Samtene Revolution nicht nur in der fernen Hauptstadt, sondern auch in Plan stattgefunden haben. Einer ganz anderen Beschäftigung ging Jan Teplík nach: Er arbeitete unter anderem im Grenzsperrgebiet Hinterkottens im Uranbergbau und gründete später das Bergwerksmuseum in Plan. Michaela Mertlová geht auf die kommunistische Vergangenheit des Grenzbezirks ein und berichtet unter anderem über das Planer Krankenhaus, von dem es heiße, es sei wie an der Front gebaut – die Operationssäle in der Mitte des Gebäudes, damit man nur schwer in sie hineinschießen kann. Aber auch über die Mühen des privaten Hausbaus während des Kommunismus erfährt man von der späteren Mitbegründerin des Planer Bürgerforums. Zu Wort kommt auch Michaela Vrzalová, die Ehefrau des früheren Planer Bürgermeisters, die selbst Zeitzeugengespräche geführt hat. Petr Pilný, ein langjähriger Kunsttischler, hat unter anderem Restaurierungsarbeiten in der Mariä-Himmelfahrt-Kirche in Plan geleistet. Von Jiří Otta, einem Planer Förster, erfährt der Leser, dass der aus Asien stammende Sikahirsch den einheimischen Rothirsch zunehmend aus den Wäldern verdrängt und beide Arten sich sogar kreuzen. Den Namen „Dr. Popov“ bringt man in Tschechien mit dem Slogan „Freund Ihrer Gesundheit“ in Verbindung. Der mit Natur- und Kräuterprodukten erfolgreiche Inhaber dieser Planer Firma, Pavel Popov, betont die Bedeutung einer individuellen unternehmerischen Mission. Ein ausführliches Gespräch hat Šícha mit dem Künstler Jan Knap geführt, der aus seinem – auch geographisch – bewegten Leben erzählt. Den Wunsch, Priester zu werden, hatte er aufgegeben und begann mit der Malerei: „Ich malte ein Bild, auf dem die Jungfrau Maria bügelt und das Jesuskind unten unter dem Bügelbrett spielt. Ein Gynäkologe kaufte es und hängte es in seinem Wartezimmer auf. Meine künftige Frau sah das Bild und kam, um mich kennenzulernen.“

Plan – Blick vom Schlossteich auf die ehemalige Volks- und Bürgerschule

In Tirschenreuth sprach Šícha mit Eberhard Polland, der zunächst alte Fotos aus der Stadt zusammengetragen hat und inzwischen die ehrenamtliche Funktion des Stadtheimatpflegers ausübt. Ingrid Leser und ihre wenige Wochen nach dem Interview mit Šícha verstorbene Mutter Hildegard Leser geben in einem gemeinsamen Gespräch Einblicke in das Leben in Plan vor der Vertreibung, über die schwierige Zeit nach dem Krieg und die Planer und Mähringer Anna-Wallfahrten. Über die Erfolgsgeschichte und die sichtbaren Spuren der Vertriebenen in Tirschenreuth berichtet Horst Adler, der selbst aus Asch stammt. Margret Schels, die am Marktplatz eine Metzgerei betreibt, antwortet auf die Frage, warum sie keinen Urlaub macht: „Meine Kunden würden einen Herzinfarkt bekommen“ und fasst damit eine fast verschwundene Philosophie kleiner Familienunternehmen zusammen. Um die Instandsetzung der Planer Annakirche geht es in Šíchas Gespräch mit dem ehemaligen Grenzpolizisten Herbert Konrad. Florian Winklmüller, Jesusdarsteller in den Tirschenreuther Passionsspielen, schildert seine Schwierigkeiten als zugezogener Langhaariger in den sechziger Jahren. Man liest dies als spannenden Kontrast zu den vorgenannten tschechischen Lebenserfahrungen aus derselben Zeit – das Jahr 1968 hüben und drüben. Als Rückkehrer leitet der Journalist Ludwig Bundscherer derzeit die Tourismus-Information der Stadt Tirschenreuth und das MuseumQuartier. In seinen Ausführungen über Heimat bemerkt er, in Tschechien oft nur Steak und Pizza anstatt Tachauer Hammelfleisch oder einen Hirsch aus Plan auf einer Speisekarte zu finden. Zum Museum des Heimatkreises Plan-Weseritz, das eine Abteilung des Museumsquartiers ist, betont er dessen versöhnlichen Charakter als Voraussetzung für eine gute Nachbarschaft. Schließlich kommt noch Peter Brückner zu Wort, der Architekt des Centrums Bavaria Bohemia in Schönsee sowie des Umbaus des Tirschenreuther Marktplatzes. Er steht für eine Architektur, in der Philosophie und Pragmatismus zusammenfinden, Stein und Mensch sozusagen.

Jan Šícha widmet die Dokumentation allen, die an der Grenze starben, auch allen, die über diese Grenze in den Zügen in die Konzentrationslager oder bei der erzwungenen Aussiedlung nach dem Krieg hin- und hergefahren sind. Entstanden ist ein Zeugnis der regionalen Geschichte, das teils trotz, teils wegen der historischen Veränderungen Zuversicht für das Egerland und die Oberpfalz vermittelt. Das Portal bbkult.net hat schrittweise alle 18 Gespräche aus diesem Buch veröffentlicht.

Der Beitrag ist im Heimatbrief für die Bezirke Plan-Weseritz und Tepl-Petschau, Dezember 2019, erschienen